11.4.2020
Herzlichen Dank, liebe Frau Greiner, für diesen exklusiven Beitrag für Artissimi! Wir freuen uns schon besonders auf die geplante Lesung mit Ihnen! Alles, alles Liebe und Gute aus Wien!
Frauen sind als Krisenmanagerinnen in schwierigen Zeiten besonders gefragt und besonders erfolgreich. Das weiß ich aus der Geschichte der Wienerinnen, über die ich Bücher geschrieben habe.
Emilie Flöge, Margaret Stonborough-Wittgenstein, Friederike Beer-Monti sind im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts geboren, alle drei haben zwei Weltkriege miterlebt, die Spanische Grippe 1918, wirtschaftlichen Zusammenbruch. Zwei von ihnen mussten vor den Nazis fliehen und ins Exil gehen.
Gerade heute, da sich das Klagen über verhängte Einschränkungen und die Irritation darüber, dass nicht mehr alles planbar und verfügbar ist, mit apokalyptischem Raunen in den Medien entlädt, frage ich mich, was diesen Frauen die Kraft gegeben hat, ihr Schicksal zu meistern. Mit einem Modewort ist es die Frage nach der Resilience, der psychischen Widerstandskraft, der Fähigkeit, trotz enormer Belastungen glücklich zu sein.
Die Familie, könnte man mutmaßen, hochgepriesene Quelle allen Glücks, hilft über alle Fährnisse hinweg. Aber die familiären Verhältnisse meiner Protagonistinnen waren schwierig.
Gustav Klimt war Emilie Flöges Lebensmensch, er war sicher mehr von ihr abhängig als sie von ihm. Man muss nur seine Postkarten an sie lesen, eine aufschlussreiche und oft vergnügliche Lektüre. Friederike Beer-Monti hatte kurzfristig einen italienischen U-Boot-Kapitän zum Mann, lebte mit ihm auf der kleinen Insel Procida im Golf von Neapel, kehrte nach Wien zurück. Sie blieb ihr Leben lang mit dem Maler Hans Böhler verbandelt, auch als sie als Galeristin nach New York gezogen war. Margaret Stonborough Wittgenstein lebte zunächst das klassische Familienmodell mit Ehemann und zwei Kindern, aber die Ehe mit Jerome Stonborough erwies sich als desaströs.
Nichts mit "Trautes Heim, Glück allein."
Ich behaupte: Es war
die Kunst, die allen drei Frauen die Kraft gegeben hat, allen Widrigkeiten und Katstrophen in ihrem Leben zu trotzen. Der entschiedene Glaube daran, dass es etwas gibt, was über den Alltag hinausweist, die Finsternis aufreißt, den Blick weitet, auf dass sich im Erlebnis von Schönheit die Seele mit Stärke auflädt und fähig wird zum Aufbegehren.
Kunst ist natürlich viel mehr als Schutzkleidung, Impfstoff und Medizin, darf aber durchaus in dieser Weise instrumentalisiert werden. Sie ist auch in Zeiten geschlossener Museen reichlich vorhanden. Die Museen und Galerien vermitteln umfänglich virtuelle Spaziergänge durch ihre Bestände. Kunstbücher warten zu Hause darauf, einmal wieder in die Hand genommen zu werden. Schauen Sie sich einmal im Internet Klimts Porträts von Emilie Flöge, Margaret Wittgenstein und Friederike Maria Beer an und entdecken Sie, wie der Maler das unterschiedliche Wesen dieser Frauen zu fassen wusste.
"Kunst ist Ankommen an einem anderen Ort.", hat Franz Marc geschrieben. Dieser metaphorische Ort ist nicht kontaminiert von Viren, er ist die produktive Erfahrung des Schönen als unendliches Gespräch mit dem Kunstwerk.
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Das Betrüblichste für eine Autorin ist, wenn Lesungen ausfallen. Sie sind das wahre Glück, wenn man sein Publikum erreicht. Leider mussten mehrere Lesungen in Wien abgesagt werden, (wo es das aufmerksamste Publikum überhaupt gibt), ebenso in Lissabon und einigen deutschen Städten.
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Es erreichte mich die Nachricht, dass der
Galerist Prof. Martin Suppan überraschend gestorben ist. Ich hatte ihn bei meiner Premierenlesung über Beer-Monti im Oktober in der Klimt-Foundation kennengelernt. Er hat sich sehr für eine Wiederentdeckung des Malers Hans-Böhler eingesetzt. Eine Lesung mit mir im Palais Coburg war im Gespräch.
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Die Klimt-Villa bietet einen besonderen Mundschutz an. Die Urenkelin Klimts, Brigitte Huber, hat Atem-Masken mit einem Klimt-Emblem verziert. Mit dem Kauf kann man die Klimt-Villa unterstützen.
www.klimtvilla.at/index_wp.php
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Mit großem Vergnügen habe ich in der
ZDF-Mediathek André Hellers Inszenierung des "Rosenkavalier" aus der Berliner Staatsoper angeschaut. Günther Groissböck als Ochs von Lerchenau ist unübertrefflich, Camilla Nylund eine souveräne Marschallin. Die Aufführung ist noch bis zum 19.6. abrufbar. Bei dem Empfang im Hause Faninal tauchen auch Gustav Klimt und Emilie Flöge auf, Klimt im Malerkittel und Emilie Flöge in einem ihrer fließenden Kleider mit geometrischem Dekor. Ich bin sicher: Klimt wäre niemals in seinem Kittel zu einem Empfang in ein Palais gegangen. Bei solchen Gelegenheiten trug er schwarzen Gehrock mit Weste oder einen Anzug mit breitem Kummerbund! Das weiß natürlich auch André Heller. Aber der Wiedererkennungseffekt ist bei Klimt eben größer, wenn er als Kunstmönch erscheint.
HIER DER LINK
BÜCHER VON MARGRET GREINER (AUSWAHL):
"Auf Freiheit zugeschnitten", Emilie Flöge, Modeschöpferin und Lebensgefährtin Gustav Klimts.
"Margaret Stonborough-Wittgenstein" Grande Dame der Wiener Moderne.
"Ich will unsterblich werden", Friederike Beer-Monti und ihre Maler
HIER DER LINK zur Website von Margret Greiner
FOTO: Margret Greiner